28.11.2025 | Lost Places im Saarland
Drei Orte. Drei Geschichten. Ein Blick in die Vergangenheit,
die noch immer im Saarland sichtbar ist.
Manche Orte geraten in Vergessenheit – und doch erzählen sie weiter. Zwischen bröckelnden Mauern, verwittertem Stein und langsam zurückkehrender Natur liegen Geschichten, die längst niemand mehr laut ausspricht. Lost Places sind keine Kulisse, sondern stille Zeugen einer vergangenen Zeit.
Mich faszinieren diese Orte, weil sie zeigen, dass Schönheit nicht immer makellos sein muss. Dabei geht es nicht um Sensation, sondern um das Gefühl, an einem Ort zu stehen, an dem die Zeit langsamer vergeht. In diesem Beitrag geht es um drei solcher Plätze im Saarland: einen alten Friedhof, einen stillgelegten Bahnhof und eine profanierte Kirche. Drei Orte, die Geschichte atmen – und uns daran erinnern, dass Vergänglichkeit auch eine Form von Ewigkeit sein kann.
1. Alter Friedhof in Saarbrücken
Der Alte Friedhof in Saarbrücken wurde 1851 angelegt und diente viele Jahrzehnte als zentrale Ruhestätte der Stadt. Zwischen 1907 und 1909 wurde das Gelände erweitert, bevor mit der Eröffnung des neuen Hauptfriedhofs an der Metzer Straße im Jahr 1914 die Beisetzungen allmählich dorthin verlagert wurden. 1917 wurde der Friedhof schließlich geschlossen.
Seit den 1990er-Jahren ist das rund vier Hektar große Areal als Park und Naherholungsort umgewidmet. Erhalten blieben nur wenige, künstlerisch wertvolle Grabmale – darunter die der Familien Röchling, Kloevekorn und Haldy, das Ehrengrab des Ornithologen Julius Kiefer sowie das von Charles Rupied. Auch Gefallene des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71) und des Ersten Weltkriegs sind hier beigesetzt. Das denkmalgeschützte Gelände verbindet heute auf stille Weise Geschichte, Kunst und Natur.

🕓 Beste Zeit: früher Morgen oder später Nachmittag
📷 Empfohlenes Objektiv: 35 mm oder leichtes Tele (50–85 mm)
🚶 Zugang: frei begehbar, Eingang über die Bismarckstraße
2. Alter Bahnhof Jägersburg
Der ehemalige Bahnhof Jägersburg – zeitweise auch Waldmohr-Jägersburg genannt – war einst Teil der historischen Glantalbahn, die Homburg mit Glan-Münchweiler verband. Er entstand Anfang des 20. Jahrhunderts, als das Saarland durch den Bau neuer Bahnverbindungen wirtschaftlich aufblühte. Die offizielle Eröffnung erfolgte am 1. Mai 1904, parallel mit der Inbetriebnahme der gesamten Glantalbahn.
Der Bahnhof lag an der Schnittstelle zwischen den Gemeinden Jägersburg und Waldmohr und diente sowohl dem Personen- als auch dem Güterverkehr – unter anderem für die nahegelegene Grube Nordfeld, die allerdings schon kurz nach der Eröffnung wieder stillgelegt wurde. Aufgrund seiner Lage an der damaligen Grenze des Saargebiets fungierte Jägersburg mehrfach als Zollbahnhof: zunächst zwischen 1920 und 1935, später erneut von 1947 bis 1956. Der Personenverkehr endete Mitte der 1950er Jahre, der Güterverkehr 1995.
Heute erinnern nur noch das verlassene Empfangsgebäude, alte Gleisreste und überwuchernde Bahntrassen an die Zeit, als hier täglich Züge hielten. Das Gelände ist öffentlich einsehbar und bietet sich - mit seinem bröckelnden Mauerwerk, den rostigen Relikten und dem leisen Hauch vergangener Bewegung - als fotografischer Zeitzeuge an.

🕓 Beste Zeit: Vormittag oder bewölkter Tag
📷 Empfohlenes Objektiv: Weitwinkel (16–35 mm) oder Standardzoom (24–70 mm)
🚗 Zugang: öffentlich einsehbar, Parkmöglichkeit am Weiher Jägersburg
3. Profanierte Kirche St. Antonius
Die Kirche St. Antonius in Völklingen-Fenne wurde 1963–1965 vom Architekten Konrad Schmitz errichtet – als moderner Neubau, nachdem das ursprüngliche Gotteshaus von 1926/27 im Krieg zerstört und später der Autobahn A620 weichen musste. Der Bau beeindruckt durch seinen rautenförmigen Grundriss, schräg gesetzte Betonformsteine und ein Zeltdach aus Kupfer, das dem Innenraum über schmale Fensterbänder ein sanftes, indirektes Licht schenkt. Der frei stehende Glockenturm aus drei Betonstreben ist schlicht und markant zugleich. 2009 wurde die Kirche wegen Bauschäden geschlossen und 2013 profaniert. Seitdem steht sie leer – ein stiller, fast skulpturaler Ort zwischen Architektur und Vergänglichkeit.

🕓 Beste Zeit: später Nachmittag (weiches Seitenlicht)
📷 Empfohlenes Objektiv: Weitwinkel oder 50 mm Festbrennweite
🚶 Zugang: Außenbereich frei begehbar, Innenräume nur mit Genehmigung
Wenn ich Lost Places fotografiere, entscheide ich mich bewusst für die schwarzweiß Entwicklung. Farbe lenkt oft vom Wesentlichen ab – von Struktur, Licht und Stimmung. In schwarzweiß wirken Kontraste stärker, Details treten hervor, und der Charakter des Ortes wird klarer spürbar. Diese reduzierte Darstellung unterstreicht Alter, Verfall und Atmosphäre auf eine Weise, die ein farbiges Bild selten erreicht. Sie lässt Raum für Interpretation – und lenkt den Blick dorthin, wo die Geschichte wirklich liegt: in der Substanz und im Stillstand.
Jeder dieser Orte ist auf seine Weise ein Stück Saarland, das in Vergessenheit geraten ist – und doch weiterlebt. Lost Places erinnern uns daran, dass Schönheit nicht immer neu, perfekt oder hell sein muss. Sie liegt oft in dem, was bleibt, wenn das Leben weitergezogen ist. Vielleicht macht gerade das ihren Reiz aus – und den Wunsch, sie mit der Kamera festzuhalten, bevor auch die letzten Spuren verschwinden.
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